Ikonografie - Weltsinn Liebe

Der Kunstgeschichte ist das Thema „Krieg und Frieden“ nicht unbekannt, aber es versteht sich von selbst, dass diejenigen Maler, die es in früherer Zeit behandelten, sich auf andere Quellen als Kandinsky bezogen. Auch ihr Vorgehen unterscheidet sich von dem Kandinskys, da sie sich in aller Regel enger an die jeweilige literarische Vorlage hielten, die Ikonografie des Themas nicht aus dem Auge verloren und die Einheit von Ort, Zeit und Handlung wahrten, was für Kandinsky, wie die Werkgenese gezeigt hat, kaum mehr gilt. Denn er übertrug alle wesentlichen Züge des Gemäldes mit dem Titel „Kosaken“ in „Komposition IV“, was dazu führte, dass das zuerst entstandene Bild zu einem „Fragment“ herabsinken sollte. Was allerdings weit mehr ins Gewicht fällt, ist die Tatsache, dass wir den Schauplatz der mächtigen kaukasischen Berge gegen die westliche Hügellandschaft vor Moskau gewechselt haben. In zeitlicher Hinsicht hat sich die Perspektive von der Mitte des 19. Jahrhunderts in das Jahr 1812 verschoben. Und schließlich spielt die Thematik der miteinander kämpfenden „Kosaken“ in „Komposition IV“ kaum noch eine Rolle, die nun vielmehr für die bunt zusammengewürfelten Truppen Napoleons und das mit Kosaken verstärkte Heer Alexanders I. einstehen. Man hat es hier mit dem Problem zu tun, dass das Bezeichnende und das Bezeichnete auseinanderdriften, die figurativen Bedeutungsträger ihre Eindeutigkeit verlieren, ein scharfkantiges Bergmassiv im Bild auch einen weich modellierten Hügel bezeichnen, ein berittener Kosake auch einen französischen Kavalleristen meinen kann. Dass die Zeichen relativen Charakter annehmen, Zeichen und Bedeutung partiell sogar auseinandertreten, folgt aus der Übertragung und durch die Hinzufügung des liegenden Paars, denn damit änderte sich die Bildkonzeption grundlegend, mithin die Aussage des Gemäldes.

Hinzu kommt, dass bei den älteren Malern der übergeordnete exemplarische oder allegorische Sinn ihrer Werke an die gegenständliche Darstellungsform gebunden blieb, was Kandinsky mit aller Kraft zu überwinden suchte. Gerade deshalb, so scheint es, ging er in seinen „Rückblicken“, einem autobiografischen Text, auf Distanz zu seinen Vorgängern und verstieg sich zu der hochmütigen Behauptung: „Ich besuchte die alte Pinakothek [in München] und bemerkte, daß kein einziger der großen Meister die erschöpfende Schönheit und Klugheit der natürlichen Modellierung erreicht hat: Die Natur selbst blieb unberührt.“52 Den Text von 1913 verfasste Kandinsky, als er den Gegenstand endgültig entlassen hatte beziehungsweise ihm der Durchbruch zur völligen Abstraktion gelungen war, und hierin zeigt sich vor allem, dass er aus dem Bewusstsein seiner eigenen künstlerischen Leistung sich gegen die gegenständliche Malerei und ihre ikonografischen Traditionen abgrenzte. Vordergründig spielte er die äußere Erscheinung der Dinge gegen ihre innere Natur aus, der er sich allein verpflichtet fühlte.

Dessen ungeachtet forderte er seine Lebensgefährtin Gabriele Münter anlässlich eines Besuchs in Berlin auf, die dortige Gemäldegalerie zu besuchen: „Vergiß nicht Kaiser-Friedrich-Museum! … Zwing‘ dich nicht zu Briefen: es ist mir genug, wenn ich weiß, daß es dir gut geht.“53 Zehn Tage später, am 12. Juli 1911, antwortete die Malerin: „2 x war ich im Kaiser Fr. Museum“.54 Allem Anschein nach hielt Kandinsky den Besuch der Museen keineswegs für vertane Zeit, sondern mit Gewinn verbunden, denn man empfiehlt nur das, was man kennt und schätzt. Der Maler verfolgte offenbar mit seinen „Rückblicken“ nicht nur den Plan, Einblick in sein Leben zu gewähren, sondern auch rhetorische Absichten, die erst im Weiteren ins Blickfeld rücken. Vor dem Hintergrund seiner ambivalenten Haltung zur historischen Kunst interessieren hier gerade jene Bilder, die das Thema „Krieg und Frieden“ behandeln, da Kandinsky sie sicherlich kannte und ihnen wohl eine Dimension abringen konnte, die ihn wahrscheinlich nicht teilnahmslos ließ.

Piero di Cosimo, Venus, Mars und Amor, um 1505, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie
Abb. 12
Piero di Cosimo, Venus, Mars und Amor, um 1505, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie

In der Berliner Gemäldegalerie hängt ein betörendes Bild von Piero di Cosimo (Abb. 12), das um 1505 entstand und Venus, die Göttin der Liebe, und Mars, den Gott des Krieges, liegend vor einer Landschaft zeigt.55 Venus, auf der linken Bildseite angeordnet und spärlich mit einem Schleier bekleidet, der ihr über die Schultern fällt und ihre Scham bedeckt, ruht, auf einen Arm gestützt, auf dem kunstvoll drapierten Tuch, das ihren Körper vor der Feuchtigkeit des Rasens schützt, während Mars, ihr Liebhaber, auf der rechten Seite ausgestreckt und entspannt, in tiefen Schlaf gesunken ist. Sein Haupt stützt ein fülliges rotes Kissen, seinen beinahe nackten Körper hat er auf ein braunes Tuch gebettet. Nur ein rötliches Lendentuch bedeckt sein Geschlecht. Venus wacht über den Schlaf des Geliebten, wird von ihrem Sohn Amor begleitet, der sich an sie schmiegt und an dessen rechter Hand ein weißer Hase, das sanfte und fruchtbare Liebestier, schnuppert. Turtelnde Tauben im Vordergrund geben einen deutlichen Hinweis darauf, dass wir der amourösen Liaison der Götter beiwohnen, dass der kriegerische Mars, durch den Liebesakt besänftigt, ganz dem Bann der Venus erliegt. Venus hat die Herrschaft übernommen und breitet ihre Segnungen, den Frieden, über die Welt aus. Die Rüstung des Kriegsgotts haben geflügelte Putten, die Entourage der Göttin, bis auf eine Armschiene entwendet und spielen damit bei einem nahen Felsen und dem Gesträuch des Lorbeers. Die ruhige Gelassenheit der Götter lässt kaum den Gedanken aufkommen, dass wir Zeugen eines Ehebruchs werden, da Venus sich mit Vulkan, dem Gott des Feuers, der Schmiede und Handwerker, vermählt hatte. Die Geschichte der Liebschaft mit Mars erzählen die griechischen und römischen Dichter gleichermaßen, Ovid in seinen „Metamorphosen“ vergleichsweise knapp: Der Lichtbringer Apoll beziehungsweise der Sonnengott Sol „war der erste der Götter, so glaubt man, welcher der Venus Liebe zu Mars, die verbotene, merkte: es sieht dieser Gott ja alles zuerst. Es kränkt ihn die Tat, und er meldet der Juno Sohne, dem Gatten, wie sehr man und wo man sein Lager beleidigt.“56 Daraufhin schmiedete Vulkan, der Hintergangene, mit der größten Kunstfertigkeit ein unsichtbares Netz, mit dessen Hilfe er die Liebenden einfing und sie schließlich der olympischen Götterversammlung vorführte, die in schallendes Gelächter ausbrach.

Piero di Cosimo erzählt eine mythologische Geschichte, von der Liebschaft zwischen Venus und Mars, die sich in unvordenklicher Zeit zugetragen haben soll, als es sich die unsterblichen Götter noch gefallen ließen, auf der Erde, gelegentlich auch mit Sterblichen, zu verkehren. Die Szenerie stellt die Betrachter vor die Aufgabe, den allegorischen Sinn zu erschließen, dass nämlich die Kraft der Liebe über den Zwist und den Krieg siegt, die Liebe erst den Frieden der Welt verbürgt. Diesen Gedanken verfolgte auch Kandinsky, wenngleich er ihn der Sphäre der olympischen Götter entriss und ihn im Raum-Zeitlichen seiner Figuren verankerte. Die Versöhnung zweier im Grunde unversöhnlicher Themen in einem Bild, links die Kriegsszene, rechts die Liebesszene, bleibt ohne Rekurs auf die Mythologie ein schwieriges Unterfangen, das nur deshalb gelingen konnte, weil Kandinsky unserer Leserichtung von links nach rechts folgte. Denn es bleibt zu bedenken, dass er die Umarmung von Natascha und Pierre auf der rechten Bildseite anordnete, wo sich nach dem Ermessen Heinrich Wölfflins entscheidet, wie eine Geschichte endet, das antithetische Konzept des Bildes erst seine ganze Bedeutung erlangt und dadurch erst das Thema „Krieg und Frieden“ greifbar wird. So unvergleichbar die beiden Gemälde von Piero di Cosimo und Wassily Kandinsky einerseits auch scheinen, so sehr berühren sie sich andererseits darin, dass die Liebenden sich in der Landschaft begegnen und zur Ruhe kommen. Ob man hier von einer Bild- oder Pathosformel sprechen kann, die sich dem Gedächtnis Kandinskys eingeprägt hat, wird wahrscheinlich nie geklärt werden können. Während Piero di Cosimo die Thematik „Krieg und Frieden“ als mythische Liebschaft in einer Szene fassen konnte, musste Kandinsky sie auseinanderlegen, denn auf keinem anderen Wege ließ sich das Tolstoische Epos vergegenwärtigen.

Peter Paul Rubens, Krieg und Frieden, 1629-30, National Gallery, London
Abb. 13
Peter Paul Rubens, Krieg und Frieden, 1629-30, National Gallery, London

Auch Peter Paul Rubens hat das Thema „Krieg und Frieden“ behandelt (Abb. 13), abermals die Götter Venus und Mars im Gemälde zusammengeführt, sie aber nicht als Liebende vereint, sondern als Konkurrenten ins Bild gesetzt.57 Das Gemälde der National Gallery, London, entstand in den Jahren 1629 bis 1630, als Rubens im Auftrag der spanischen Krone mit der englischen Regierung einen Friedensvertrag aushandelte, der sich jedoch schon bald als brüchig erwies und den Niederlanden nicht den ersehnten Frieden brachte. Das Bild schenkte er dem englischen König mit der Intention, Charles I. stets vor Augen zu halten, dass die Wahrung des Friedens die Voraussetzung für die Blüte des Staates, der Gesellschaft und der Ökonomie ist. Im Zentrum des Bildes thront erhöht Venus als Friedensgöttin, der die gerüstete Göttin Minerva beispringt, um den Kriegsgott und die Furie Alekto zu vertreiben. Im Bildvordergrund breiten sich die Segnungen des Friedens aus. Rechts tritt eine Schar Kinder auf, von denen sich eines an dem Milchstrahl aus der Brust der Venus labt, daneben steht der Hochzeitsgott Hymenaios, im Vordergrund Amor und schließlich eine junge Frau, die die Töchter des Malerkollegen und zeitweiligen englischen Unterhändlers Balthasar Gerbier der illustren Gesellschaft zuführt. Zu Füßen der Venus spielt ein zahmer Leopard mit den Früchten eines Füllhorns, das ein älterer Satyr stützt. Links der thronenden Göttin trägt eine junge Frau goldenes Geschirr herbei, hinter ihr tanzt eine andere zum Tambourin, das sie aus Freude über die Vertreibung des Mars schlägt. Vom Himmel schwebt ein Putto herab, der den Caduceus, den Heroldsstab des Götterboten Merkur, in den Händen führt, als wäre die Beilegung aller Kampfhandlungen und die Vorherrschaft der Venus das Ergebnis diplomatischen Geschicks. Rubens durchbrach die allegorische Argumentationsweise seines Bildes durch die Einfügung der Kinder Gerbiers, denen er nichts sehnlicher als eine glückliche Zukunft zu sichern wünschte. Auf diesem Wege gelang es ihm, den Appellcharakter des Bildes zu verstärken, denn er enthob es der Überzeitlichkeit der olympischen Gottheiten.

Peter Paul Rubens, Friedensallegorie, 1630-32, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München
Abb. 14
Peter Paul Rubens, Friedensallegorie, 1630-32, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, München

Eine zweite, wenig später entstandene Version des Themas „Krieg und Frieden“ aus der Werkstatt des Malers hängt in München (Abb. 14).58 Es handelt sich um ein großformatiges Bild mit den Dimensionen 231 x 340 cm, das 1698 in die kurfürstlichen Sammlungen gelangte. Auf dem Gemälde werden erneut die Segnungen des Friedens auf der linken Seite mit den Gräueln des Krieges rechts konfrontiert. Wiederum beherrscht Venus als Friedensgöttin, die unter einem Baum Platz genommen hat und ein Kind stillt, das Zentrum des Geschehens. Sie blickt zu Mars auf, den Minerva, Tochter des Jupiter, entschlossen zurückdrängt. Die rechte Bildhälfte zeigt eine kriegszerstörte Landschaft mit Architekturfragmenten im Vordergrund, in der Ferne eine brennende Stadt, am Himmel eine fauchende, vom Furor getriebene Erinnye, Sinnbild der Zwietracht und des Unheils. Mars schreitet über eine ärmlich gekleidete Frau zu Füßen der Venus hinweg, die flehentlich Arm und Bein der Göttin ergriffen hat und wahrscheinlich als Personifikation der Hungersnot gedeutet werden kann. Links, im Schutze der Venus, hat sich eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen versammelt. Zwei junge Frauen in zeitgenössischer Tracht sammeln Früchte, die die Natur im Überfluss zur Verfügung stellt. Die im Vordergrund hockende Schönheit wird von Amor, der einen Köcher trägt, auf einen Obstzweig aufmerksam gemacht, den ein Satyr aus dem Baum herabreicht. Dahinter legt ein Knabe Früchte in den gerafften Rockschoß einer zweiten jungen Frau, der er seinen rechten Arm um die Schulter gelegt hat. Auch in diesem Gemälde durchbrach Rubens beziehungsweise seine Werkstatt die allegorische Argumentation des Gemäldes, um das Bildgeschehen nicht als entrücktes, mythisch verklärtes erscheinen zu lassen, sondern um ihm Bezüge zur eigenen Zeit, mithin zur Wirklichkeit, angedeihen zu lassen.

Kandinsky wird das Gemälde in den Münchner Sammlungen gekannt haben, aber die allegorische Darstellung hat ihn sicherlich weniger gefangen genommen als die farbige Delikatesse der Malerei, auf die sich Rubens durch seine lasierenden Farbaufträge, buntfarbigen Modellierungen der Gegenstände und weichen Konturen wie kein Zweiter verstand. Die Handhabung der durchscheinenden Farbe beherrschte auch Kandinsky, wenngleich man wegen des hohen Sättigungsgrads seiner Farben denken könnte, dass er sie vornehmlich pastos auf die Leinwand brachte. Aber gerade das Nuancenreiche und Changierende der farbigen Erscheinungsweise seines Gemäldes setzte voraus, die Farben, seien sie transparent oder opak, in jedem Fall sparsam zu verwenden, zumal Kandinsky nach einem verhältnismäßig langen Entwurfsprozess enorm rasch malte, kaum die Geduld aufbrachte, längere Trocknungsprozesse in Kauf zu nehmen. In Rubens konnte Kandinsky einen Wahlverwandten erkennen, auch wenn er sich über ihn, den großen alten Meister, beharrlich ausschwieg. Kandinsky mochte in seinem Text „Komposition 4 – Nachträgliches Definieren“ lediglich zu Protokoll geben, dass er die Aufhebung der farbigen Grenzen und die damit einhergehende Auflösungstendenz der Gegenstände als Ziel verfolgte.

Es hat wenig Sinn, den Formulierungen des Themas „Krieg und Frieden“ in der älteren Kunstgeschichte weiter nachzugehen, da Kandinsky die Sprache der Allegorie ebenso fernlag wie die echter Erzählung. Die besprochenen Beispiele sollten das Anregungspotenzial der historischen Kunst, aber auch ihre Grenze hinsichtlich des Stellenwerts für den Künstler markieren. Gleichwohl hat sich die Forschung auf den Weg gemacht, einzelne Motive von „Komposition IV“ formengeschichtlich abzuleiten, etwa die Kampfverbände der Pikeniere und Lanzenreiter. Unter Hinweis auf Albrecht Altdorfers „Alexanderschlacht“ von 1529 in den Münchner Sammlungen hat man den Nachweis erbringen wollen, dass Kandinsky hier für die Gestaltung seiner Lanzenverbände Anregungen erhalten habe, was weder ausgeschlossen noch zwingend erscheint.59 Der Künstler konnte dergleichen auch auf Diego Velázquez‘ Gemälde „Die Übergabe von Breda“ sehen oder auch bei Jacques Callot, der 1633 „Les misères et les malheurs de la guerre“ detailliert schilderte, Pikeniere auch als isolierte Figuren in seinem grafischen Werk darstellte. Kandinsky kannte sie möglicherweise, vor allem aber wusste er, dass die Kosaken in dem Ruf standen, hervorragende Lanzenreiter zu sein. Russische Volksbilderbogen, die Kandinsky liebte, insbesondere des 19. Jahrhunderts zeigen, dass die berittenen Kosakenheere Lanzen als bevorzugte Waffen bei sich führten.60 Aber auch dieser Strang der Forschung, bestimmte Motive historisch zu verlängern, muss nicht weiterverfolgt werden, da neue Erkenntnisse kaum zu erwarten sind.

Vielmehr sei abschließend darauf hingewiesen, dass Kandinsky den Reigen der bedeutenden Künstler eröffnete, die das Tolstoische Opus „Krieg und Frieden“ zu Bearbeitungen in verschiedensten Kunstformen inspirierte: Sergei Prokofjew komponierte unter dem Eindruck des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion 1941 eine Oper, deren Libretto er gemeinsam mit seiner Frau Mira Mendelson-Prokofjewa verfasste.61 Die Instrumentierung der Oper konnte er im Frühjahr 1943 abschließen. Das Werk, in drei Fassungen erhalten, beschäftigte ihn bis an sein Lebensende im Jahre 1953 und lässt die Schwierigkeit erkennen, den gewaltigen Stoff des Romans zu transponieren. Erwin Piscator hat das Tolstoische Werk unter Mitarbeit des Romanciers Alfred Neumann und des Schriftstellers Guntram Prüfer zu einem Theaterstück kondensiert, das er 1955 zur Erstaufführung auf die Bühne des Berliner Schiller-Theaters brachte.62 Die Arbeit an der Bühnenfassung hat über zehn Jahre in Anspruch genommen und aus der Chronologie des Werks ergibt sich bereits, dass es den Autoren um die Reflexion der jüngsten geschichtlichen Ereignisse ging. Kein Geringerer als Pablo Picasso hat die Thematik „Krieg und Frieden“ aus Empörung über die Ruchlosigkeit des Koreakriegs abermals aufgegriffen und eine säkularisierte Kapelle aus dem 14. Jahrhundert in Vallauris zu einem Friedenstempel umgestaltet.63 Zwischen April und September 1952 entwarf er zwei aufeinander bezogene Gemälde, die jeweils die Hälfte der vorgelagerten schweren Gewölbetonne bedecken. Die beiden Gemälde mit den Dimensionen von je 4,70 x 10,50 m führte Picasso auf biegsamen Hartfaserplatten aus, die, im Dezember 1952 fertiggestellt, ihren Bestimmungsort erst 1954 erreichten. Picasso bezog sich im Gegensatz zu Kandinsky, Prokofjew und Piscator nicht auf Tolstoi, sondern griff bei dem Entwurf seiner teils allegorischen, teils erzählenden Gemälde auf den Fundus der kunsthistorischen Tradition zurück.

52) Kandinsky 1980, Rückblicke, S. 44.

53) 2. Juli 1911, Kandinsky an Münter. Kandinsky/Münter 2005, S. 109.

54) 12. Juli 1911, Münter an Kandinsky. Kandinsky/Münter 2005, S. 112.

55) Fermor 1993, S. 44 ff. Das Bild wurde 1828 durch Carl Friedrich von Rumohr für die Berliner Gemäldegalerie erworben.

56) Ovid 1980, IV, 171-174 und folgende Verse, S. 125 f.

57) Warnke 2006, S. 130 ff.

58) Renger/Denk 2002, S. 382 f.

59) Dziersk 1995, S. 23 ff.

60) Kappeler 2013, S. 103, Abb. 19.

61) Prokofjew 1961, S. 3 ff.

62) Neumann/Piscator/Prüfer 1955, S. 99 f.

63) Ullmann 1993, S. 403 ff.